„Optimiert die digitale Bauplanung den Stoffkreislauf?“

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„Optimiert die digitale Bauplanung den Stoffkreislauf?“

Im Auftrag des „Recycling Magazin“ (DETAIL Business Information GmbH).

Text: Robert Schütz (bautalk.com)

 

Die Bauwirtschaft bietet ein besonders hohes Potential für den verbesserten Stoffkreislauf. Ein Forschungsprojekt der Uni-Wuppertal baut auf die Digitale Bauplanung. Welche Chance hat eine virtuelle Simulation des Rückbaus wirklich?

 (Robert Schütz, bautalk. com)

Die Bauwirtschaft hat den größten Anteil am deutschen Abfallaufkommen. Entsprechend hoch ist das Potential. Ein sparsamerer Ressourceneinsatz, Recycling und die Wiederverwertung von Baustoffen muss verbessert werden. Für mineralische Baustoffe funktioniert das bereits gut. Der 11. Monotoring Bericht der „Initiative Kreislaufwirtschaft Bau“, der am 21. Januar 2019 an den Staatssekretär Gunther Adler vom Bundesbauministerium übergeben wurde, belegt diese positive Entwicklung. Der Verbund der deutschen Baustoffindustrie, der Bauwirtschaft und der Entsorgungswirtschaft, der sich für die Förderung der Kreislaufwirtschaft im Bauwesen einsetzt, hat das Aufkommen und den Verbleib mineralischer Bauabfälle im Jahr 2016 dokumentiert. Hierin heißt es: „Allein die mineralischen Bau-Abfälle verursachen mit 214,6 Mio. Tonnen den größten Anteil am gesamten Abfallaufkommen im Sektor Bau und Abriss. Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Baustoffe – Steine und Erden, Michael Basten betont: „Mineralische Bauabfälle werden heute nahezu vollständig verwertet und im Stoffkreislauf gehalten.“ Weiter heißt es: „Von den rund 215 Mio. Tonnen mineralischen Bauabfällen, die 2016 anfielen, wurden etwa 193 Mio. Tonnen bzw. rund 90 Prozent einer umweltverträglichen Verwertung zugeführt.“ Das Ergebnis kann sich sehen lassen, soweit es die mineralischen Bauabfälle (Beton, Mauerwerk, Putz) betrifft.

Übergabe des 11. Monitoring-Berichts am 21.01.2019 untere Reihe v.l.: I.Stein-Barthelmes, A.Pocha, F. Pakleppa, G. Adler, M. Basten, M. Stoll, C. Buddenbohm; obere Reihe v.l.: Dr. B. Schäfer, P. Kurth.


Das Baustoff-Casting

Laut Statistischen Bundesamt waren jedoch im Jahre 2016 allein rund 8,426 Millionen Tonnen sogenannter gefährlicher Abfallstoffe am Bau zu entsorgen. Hinzu kommen u.a. Klebstoffe, Silikon, Teppiche sowie Farben und Lacke, Montageschaum und sonstige chemische Elemente, die dem Stoffkreislauf nicht wieder zugeführt werden können. Als Grundlage für die Beurteilung der wichtigsten Bauproduktgruppen und Grundstoffe, dient u.a. die herstellerneutrale Datenbank WECOBIS, die Informationen zu gesundheitlich-und umweltrelevanten Eigenschaften liefert. Die Daten werden für die Lebenszyklusphasen Rohstoffe, Herstellung, Verarbeitung, Nutzung und Nachnutzung zur Verfügung gestellt. Eine weitere Beurteilung ermöglicht die Europäische Bauproduktenverordnung (EU-BauPVO). Hierin sind wesentliche Merkmale von Bauprodukten und Klassifikationen festgelegt. Auch die Europäische Chemikalienverordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe REACH (Registration, Evaluation, Authorisation and restriction of Chemicals) definiert die Anforderungen an Informationen zu Bauprodukten. Zudem dient die Bauregelliste des Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) / Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB) als Grundlage. Diese detaillierten Daten gilt es intelligent und vorausschauend zu nutzen. Dazu müssen die spätere Verwertbarkeit der verbauten Materialien bei der Sanierung und beim Abriss bereits in der Planungsphase vorrausschauend ausgewählt werden.

 

Erst planen, dann bauen

Hier könnte die digitale Planungsmethode BIM (Building Information Modeling) zum Einsatz kommen, die den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes berücksichtigt. Die in der Bauindustrie seit vielen Jahren eingeführte IT-gestützte Planungsmethode könnte helfen, die Rückführung von Baustoffen in den Stoffkreislauf zu verbessern. Doch was genau ist BIM? Vorab: Es ist keine Software, wie irrtümlicherweise oft angenommen, sondern beschreibt das perfekte Zusammenspiel ganz unterschiedlicher Softwarelösungen und Datenbanksysteme, die für eine einheitliche Nutzung aller Gewerke gesammelt und zugänglich gemacht werden. Die unterschiedlichen Software- Anwendungen sind hier als Werkzeuge der gesamten Planungs- und Entwicklungs-, Beschaffungs-, Bau- und Nutzungsprozesse zu verstehen. Dabei bezieht sich dieser Planungsprozess auf den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wie lässt sich BIM nutzen?

Im Zentrum steht der digitale Zwilling. Er ist die virtuelle 1:1 Nachbildung eines Gebäudes und begleitet das Objekt idealerweise bis zum Rückbau. Jedes verwendete, geplante oder mögliche Bauteil wird in einer BIM-kompatiblen Datenbank hinterlegt, die nicht nur die technische Beschreibung erfasst. Wichtig ist zudem das Zusammenspiel der Details mit den benachbarten Elementen bzw. Techniken, mit denen es in Bezug steht. Der digitale Zwilling beinhaltet mehr als nur die Fakten z.B. über den verwendeten Beton, und dessen Zusammensetzung. Relevant sind zudem alle bauphysikalischen Werte wie Wärmeleitfähigkeit, Brennbarkeit u.v.m. Alle Informationen, selbst die Bezugsquelle, werden in einem angehängten Datensatz, dem sogenannten Property-Set zusammengefasst. Und exakt dieser Datensammlung für jedes Bauteil, sollte die umweltrelevanten Informationen, wie z.B. die Schadstoffklassen einschließlich Grenzwerten und Vorgaben enthalten. So bietet BIM eine echte Chance für die Planung des ökologischen Rückbaus. Wie eine solche Lösung aussehen könnte, hat das BIM-Institut der Universität in Wuppertal im Zeitraum vom Januar 2017 bis Dezember 2018 eingehend untersucht. Der Titel des Projektes: „Building Information Modeling (BIM) als Basis für den Umgang mit digitalen Informationen zur Optimierung von Stoffkreisläufen im Bauwesen.“ Gefördert wurde dieses Projekt von „Deutschen Bundesstiftung Umwelt“.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Studie: BIM und der Stoffkreislauf

Das BIM-Institut der Universität Wuppertal geht davon aus, dass die Schließung von Stoffkreisläufen im Bausektor meist an Bauprodukten scheitert, die sich nicht oder nur mit großem Aufwand recyceln lassen. Ursache hierfür sind die fehlenden Informationen zum Verbleib der jeweiligen Produkte am Ende der Nutzungszeit einer Immobilie. Das Forschungsvorhaben will die Optimierung des Recyclings und die Reparaturfreundlichkeit im Schadens- oder Sanierungsfall erhöhen, um einen möglichst hohen Anteil an Materialien in den Rohstoffkreislauf zurückführen zu können. Zudem sollen durch eine weitreichende und frühzeitige Aufnahme und Speicherung produkt- und stoffbezogener Informationen (z. B. in Bezug auf Gefahrstoffe) zu den eingebauten Materialien und ihrer Zuordnung zum Einbauort in digitalen Modellen bei der Wartung oder Instandsetzung während der Betriebsphase sowie beim Rückbau die Belange des Arbeits-, Gesundheits- und Umweltschutzes wesentlich besser berücksichtigt werden. Zur Erreichung dieser Ziele ist die Analyse, Erfassung und Dokumentation relevanter Prozesse und stoff- bzw. produktbezogener Daten erforderlich. Hierzu werden zwei Lebenszyklen getrennt untersucht.

 

Anforderungen an Baustoffe bereits im Vorfeld definieren

Der Lebenszyklus des Baustoffes, der sich in die Phasen Herstellung, Verarbeitung, Rückbau und Aufbereitung sowie Entsorgung gliedert. Der Lebenszyklus des Bauwerks wiederum lässt sich in die Phasen der „Entwicklung, Planung, Realisierung, Betrieb und Abbruch“ einteilen. Das aktuelle Forschungsprojekt konzentriert sich auf die Baustoffe in den Abschnitten „Realisierung und Abbruch“. Mit Abbruch ist hier sowohl der Gesamtrückbau gemeint als auch der Teilprozess im Rahmen einer Instandhaltungsmaßnahme. Es geht dabei neben den gut recycelbaren mineralischen Baustoffen um Verbundstoffe, Farben und Lacke und sonstige Chemische Baustoffe. Die Anforderungen an ein notwendiges Datenprofil für Baustoffe müssen daher bereits im Vorfeld definiert und sichergestellt werden.

Hierzu muss die Integration der analysierten Daten in das Gebäudedatenmodelle ermöglicht werden. Um eine zeit- und praxisnahe Umsetzung und Anwendung der Forschungsergebnisse zu erzielen, wird noch eine erweiterbare Software-Applikation „RecycBIM“ entwickelt, die durch die Praxispartner an realen Baustellen erprobt wird. Ganz entscheidend bleibt jedoch stets die Datenpflege über die gesamte Lebensdauer, d.h. alle Fakten müssen bei jeder Renov

 

ierung oder Erweiterung stets aktualisiert werden. Der Digitale Zwilling wird dadurch zum virtuellen Begleiter. Die Untersuchung der Universität Wuppertal veranschaulicht, dass die Implementierung digitaler Instrumente in den Projektprozess durchaus Chancen hat.

 

 

 

 

 

 

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