Moringa: Erbaut für die Ewigkeit

Moringa: Erbaut für die Ewigkeit

In der Hamburger HafenCity entsteht derzeit der erste Wohnturm Deutschlands, der nach dem „Cradle-to-Cradle“-Prinzip konzipiert wurde. Mit dem Bau von „Moringa“ wurde bereits im Herbst vergangenen Jahres begonnen. Das Ziel: Ein geschlossener Stoffkreislauf – über nicht weniger als den gesamten Lebenszyklus des Hochhauses.

Publiziert auf Stylepark.com

von Robert Schütz | /29/März/2023  

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Wenn man bedenkt, dass die Bauindustrie einer der Hauptverursacher von CO₂-Emissionen ist, wird schnell klar, dass hier das größte Einsparpotenzial besteht. Betrachtet man den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes, von der Planung bis zum Abriss, bietet die Nutzungsphase dafür die besten Chancen. Die logische Schlussfolgerung: Wir brauchen ein Konzept für die Errichtung von Gebäuden, das auf einen geschlossenen Stoffkreislauf über die gesamte Lebensdauer des jeweiligen Gebäudes abzielt. Die Bauwirtschaft muss sich zu einer Kreislaufwirtschaft entwickeln und ein Gebäude sollte als Materiallager betrachtet werden. In Zeiten explodierender Preise und Lieferengpässe ist das eine willkommene Lösung. Das im Bau befindliche Wohnhochhaus „Moringa“ in der Hamburger HafenCity besteht aus drei Elementen, die einen begrünten Innenhof umgeben. Eigentümer ist die Moringa GmbH, ein Schwesterunternehmen des Projektentwicklers Landmark. Geschäftsführerin und Tragwerksplanerin Vanja Schneider beschreibt den Gedanken hinter dem Namen so: „Moringa passt so gut zu uns, weil wir mit unseren Projekten einen wesentlichen ökologischen und sozialen Beitrag zur Verbesserung unserer Umwelt und der Lebensbedingungen der Menschen leisten wollen.“ Im Allgemeinen sind in diesem Gebäude einige Dinge anders. Wie Schneider erläutert, begannen die relevanten Entscheidungen, die Planung hinter dem Bau des Gebäudes und die Auswahl der Materialien bereits in einer früheren Planungsphase als üblich, nämlich in der Phase Null der Planung.

Eine Frage, die sich bald stellte: Wem sollten wir die Planung dieses Wohnhochhauses anvertrauen? Die Antwort: Das Aachener Architekturbüro Kadawittfeld, das auch Büros in Berlin und München unterhält, hat mit seinem Verwaltungsgebäude für die Stiftung Ruhrkohle AG, bei der es sich um ein Bürogebäude handelt, bereits gezeigt, was ein Cradle-to-Cradle-Design leisten kann. Noch wichtiger als das nötige Know-how ist jedoch die Begeisterung, wie Schneider betont. So auch in der renommierten Praxis von Universitätsprofessor Klaus Kada und Gerhard Wittfeld. Architekt, Gesellschafter und Gründungspartner Wittfeld beschreibt das Projekt wie folgt: „Als grüne Oase leistet ‚Moringa‘ einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung des Klimas und der Luftreinigung in der HafenCity sowie zur Steigerung der Lebensqualität der Bewohner und des Umlandes.“ Vor diesem Hintergrund ist es die Absicht der Planer, das gesamte Areal so weit wie möglich der Natur zurückzugeben. Und dazu trägt die grüne Fassade bei, denn sie hat eine kühlende Funktion, reinigt die Luft und enthält Sauerstoff. Das Unterfangen erwies sich jedoch als komplex und erforderte die Beteiligung von sieben Spezialisten: Angefangen bei einem Biologen, der bei der richtigen Pflanzenauswahl berät, und einem Windexperten, der die Windverhältnisse im Hamburger Hafen simuliert. Weitere Experten waren ein Brandschutzexperte, ein Landschaftsarchitekt, ein Facility-Management-Berater, der an der Erstellung eines Instandhaltungskonzepts mitwirkte, ein Fassadenplaner und ein Experte für Biodiversität.

Unterstützung des C2C-Prinzips

Der Plan hängt auch davon ab, ein Höchstmaß an Kreislaufwirtschaft mit einem möglichst geringen CO₂-Fußabdruck zu erreichen. Hier wartet jedoch eine Überraschung auf uns: Auch „Moringa“ wird von einer Stahlträgerkonstruktion getragen. Und das ist die Antwort von Ingenieur Schneider auf unsere Frage, ob diese Materialwahl im Widerspruch zum Konzept von C2C steht: „Im Gegenteil, gerade wegen des Konzepts von C2C haben wir uns für eine Stahlträgerkonstruktion entschieden. Abgesehen von den Decken, den Treppenhäusern und einigen Stützen bedeutet dies, dass keiner der anderen Bauteile des Gebäudes, einschließlich der Außenwände, irgendeine tragende Funktion hat. So können die betroffenen Elemente, wie von der Kreislaufwirtschaft gefordert, überall dort, wo es Umbau-, Wartungs- oder Umbauarbeiten gibt, einfach und zerstörungsfrei demontiert werden. Überall dort, wo Beton benötigt wird, achten wir bereits darauf, dass wir kohlenstoffarmen Beton verwenden.“ Eine C2C-Zertifizierung für Gebäude gibt es noch nicht, sondern nur für Materialien. Daher wird für den gesamten „Moringa“-Turm der Nachweis der Recyclingfähigkeit durch einen BCP- oder Gebäuderundpass erbracht. Dies bestätigt unter anderem, inwieweit die verschiedenen Elemente recycelbar sind. Die Bundesregierung arbeitet bereits an einer Dokumentationspflicht für Bauherren, bei der die in einem Gebäude verwendeten Materialien durch einen sogenannten Gebäuderessourcenpass ausgewiesen werden. Dies ist eine wichtige Grundlage, um die Recyclingfähigkeit im Bausektor zu etablieren.

Das folgende Beispiel zeigt, wie das Konzept von C2C in „Moringa“ zum Tragen kommt. Mit dem Komponentenlieferanten Kaldewei wurde eine Einigung über die Warenrücknahme erzielt. Diese Vereinbarung gilt nicht nur für die Nachabrissphase, sondern auch für die Nutzungsphase. Kaldewei verpflichtet sich, seine Produkte nach Renovierungsarbeiten zurückzunehmen. „Wir haben jeweils eine Warenlieferungs- und eine Rücknahmevereinbarung getroffen. Der Warenliefervertrag garantiert die Qualität und Quantität der ursprünglich gelieferten Produkte. In der Rückgabevereinbarung verpflichtet sich der Lieferant, seine Ware zurückzunehmen, wenn Ersatz erforderlich ist. Die Produkte von Kaldewei werden aus emailliertem Stahl gefertigt. Das Material, das ausschließlich in Deutschland hergestellt wird, ist plastikfrei, extrem langlebig und zu 100 Prozent wiederverwendbar“, so Schneider.

RenderingPhoto: Moringa GmbH

Schneider würde es vorziehen, mit allen Baustofflieferanten des Unternehmens identische Vereinbarungen zu treffen. Allerdings hat die Branche in dieser Hinsicht noch einen weiten Weg vor sich, da derzeit keine verlässlichen und gut dokumentierten Informationen über die Veränderung der Eigenschaften der relevanten Materialien über ihren Lebenszyklus verfügbar sind. Dennoch bleibt er optimistisch. „Mir ist aufgefallen, dass die meisten Hersteller sehr aufgeschlossen sind. Bisher konnten wir immer individuelle Lösungen finden.“ Die Lieferanten erkennen die „experimentelle Funktion“ des „Moringa“-Turms an und würden ihn regelmäßig inspizieren, um daraus Rückschlüsse auf die Recyclingfähigkeit zu ziehen. Immerhin können bis zu 80 Prozent aller Materialien wieder in den Stoffkreislauf zurückgeführt werden. Bislang sind die Anreize seitens des Staates, C2C gesetzlich zu verankern, bestenfalls bescheiden. Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) ist die einzige Vorgabe, um Gebäude nachhaltig zu planen, zu bauen und zu betreiben. Hier sind auch Behörden, Verbände und der Gesetzgeber gefordert, denn das GEG regelt nur die Senkung des Energieverbrauchs. Schneider sagt dazu: „Ich finde sogar Teile des GEG schadend, da der notwendige Energiestandard in vielen Fällen durch eine Fassade mit Wärmedämmverbundsystem erreicht werden kann. Diese besteht aus fast 20 untrennbaren Materialschichten, die zusammengeklebt wurden und wegen ihres hohen Schadstoffgehalts später sogar als Sondermüll entsorgt werden müssen.“ Ein solches Vorgehen sei, so Schneider, kontraproduktiv. Im Fall von „Moringa“ ist eine nachhaltige Energieversorgung geplant. Das Gebäude ist an das Nahwärmenetz der HafenCity angeschlossen, das rund 92 Prozent seines Primärenergiebedarfs aus erneuerbaren Energien bezieht. Darüber hinaus wird eine rund 350 m² große Photovoltaikanlage auf den Dächern installiert und eine Wärmerückgewinnungsanlage in Betrieb genommen, um den notwendigen Wärmebedarf zu senken. Der aktuelle Planungsstand sieht vor, dass die gesamten Dachflächen als Rückhaltedächer ausgestattet werden, d.h. das gesamte Regenwasser wird zurückgehalten, gespeichert und gespeichert, um als Grauwasser genutzt zu werden. Ein Konzept, von dem alle profitieren – zukünftige Investoren, zukünftige Generationen und in naher Zukunft sowohl Mieter als auch Besucher. Architekt Gerhard Wittfeld betont: „Deutschlands erstes C2C-inspiriertes Wohnhochhaus wird mit seinem hybriden Nutzungsmix und einer Vielzahl von Möglichkeiten der Flächennutzung eine Wertschöpfung schaffen, die das gesamte Quartier aufwerten wird.“ Der geplante Nutzungsmix im Gebäude wird einen wichtigen Beitrag zur Schaffung eines lebendigen Quartiers leisten. Für das Untergeschoss und das Erdgeschoss sind nicht nur eine Kinderbetreuungseinrichtung vorgesehen, die Außenbereiche und Bereiche für die Gastronomie, den Einzelhandel und Veranstaltungen rund um Co-Working-Spaces umfasst. „Poha House“ wird für das Konzept des gemeinsamen Wohnens verantwortlich sein. Der gesamte zweite der insgesamt drei Gebäudeabschnitte mit rund 4.600 m² vermietbarer Fläche von Moringa Hamburg wird von Räumen der Wohnungsvermietung „Poha“ genutzt. „Poha passt perfekt zu unserem Wohnkonzept und ist ein äußerst wichtiger Bestandteil der HafenCity“, kommentiert Moringa-Geschäftsführer Schneider. Das Konzept soll den Flächenverbrauch begrenzen – der Bedarf an selbstgenutztem Wohnraum wird reduziert, da sich die Bewohner Küche und Wohnraum teilen und weder Arbeits- noch Gästezimmer benötigt werden. Darüber hinaus ist ein 570 m² großer Co-Working-Space eingeplant. Die Schönheit der Fassadengestaltung in ihrer ganzen Pracht, einzigartig in der HafenCity, wird sich bei der Eröffnung zeigen, die für 2024 geplant ist.

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