Baustoffe und Materialien für den Stoffkreislauf
Die Reduzierung von Bauabfällen und eine bessere Verwertung von Baumaterialien und -Bauelementen ist dringend erforderlich. Die Online-Plattform Madaster.com soll diese Herausforderung meistern. Die Schweizer Lösung gilt als wichtiger Beitrag für mehr Ressourceneffizienz im Bau- und Immobiliensektor.
Laut dem Schweizer Bundesamt für Umwelt (BAFU) könnte auch eine Wiederverwendung von Baumaterial dazu beitragen, das Klimaziel 2050 und die Energiestrategie 2050 zum Erfolg zu führen. Die Plattform Madaster.com will daher mit ihrer Datenbank alte Baumaterialien dem Stoffkreislauf wieder zuführen. Das Projekt wurde durch die Zusammenarbeit führender Schweizer Akteure der Bau- und Immobilienbranche und des Bundesamts für Umwelt (BAFU) im Verein Madaster Schweiz ermöglicht. Nach eigenen Angaben versteht man sich als die Schweizer Online-Bibliothek für verbautes Material. In einer Eigendarstellung heisst es zudem: „Wir sehen die Erde als ein geschlossenes System, in dem keine Verschwendung stattfinden darf.“ In der Tat: Rohstoffe sind begrenzt und knapp. Um Materialien unendlich verfügbar zu halten, sollen diese daher dokumentiert werden. In der Eigendarstellung von Madaster formuliert man provokativ: „Abfall ist Material ohne Identität. Wenn Materialien eine Identität haben, können sie niemals als Abfall in der Anonymität verschwinden“ Folglich hat man es sich zur Aufgabe gemacht, Materialien für immer verfügbar zu machen, indem man sie beschreibt, zuordnet und bewertet. Jedes Gebäude ist als ein Depot von Materialien mit einem bestimmten Wert zu verstehen. Was hier zunächst etwas abstrakt klingen mag, wird in der Praxis bereits seit Mitte des Jahres erfolgreich genutzt.
Datenbank dokumentiert Potenzial für Wiederverwertung
Eigentümer von Schweizer Liegenschaften können ihre Gebäude seit 1. Juli 2020 im Schweizer Material-Kataster Madaster registrieren und erstmals ihren individuellen Materialpass für ein Gebäude erstellen. Dieses Dokument dokumentiert das Potenzial der registrierten Materialien und Produkte eines Gebäudes für eine Wiederverwendung. Madaster-Nutzer können die erfassten Daten nutzen, um Materialien wiederzuverwenden und in intelligente Designs zu investieren, die das Schliessen von Wertstoff-Kreisläufen fördern und Verschwendung von Ressourcen vermeiden. Als Open-Data-Plattform konzipiert, soll diese Online Lösung jedoch weit mehr als eine klassische Datenbank leisten. Zusätzlich können als weiterer Mehrwert innovative Lösungen wie Marktplätze, sowie die Immobilienbewertung und -verwaltung über eine Schnittstelle eingebunden werden. Die Cloud-Lösung, die u.a. auf Deutsch, Englisch, Niederländisch, Französisch verfügbar ist, wurde im Rahmen der Fördervereinbarung (77 90 24) aus dem Forschungs- und Innovationsprogramm der Europäischen Union Horizon 2020 gefördert.
Der Präsident des Vereins Madaster Schweiz Patrick Eberhard von Eberhard Unternehmungen erklärt: „Unser Ziel ist es, dass wir in der Schweiz konsequent neue Häuser aus alten bauen. Damit werden wir den grössten Abfallstrom der Schweiz nachhaltig eliminieren können. Mit Madaster können Gebäude als Rohstofflager und Städte als Rohstoffminen geplant und genutzt werden,” so das Madatser-Vereinsmitglied der ersten Stunde weiter. Thomas Rau, Gründer von Madaster kommentiert: „Wir freuen uns, dass die Schweizer Plattform als erster internationaler Standort von Madaster an den Start geht.“ „Dank unserer strategischen Partner in der Schweiz setzt der Bau- und Immobiliensektor damit ein klares Zeichen für zirkuläre Innovation der Schweizer Baukultur“, kommentiert Marloes Fischer, die für die Vermarktung verantwortlich ist- Sie will vor allem die Einbindung von Immobilieneigentümern zur Registrierung von Gebäuden und die Vernetzung mit der Industrie fördern.
Funktionalitäten der Schweizer Madaster-Plattform
Die Liegenschaftseigentümer können ihre Gebäude auf madaster.com registrieren, wo die Produkt- und Materialdaten gespeichert und visualisiert werden. Ein solches digitales Dossier beinhaltet alle wichtigen Merkmale von Produkten und Materialien im Gebäude. Hierzu gehören u.a. deren Hersteller sowie ihr Standort. Durch die Anbindung von externen Datenquellen und mithilfe von Datenanalyse-Tools werden diese kategorisierten Daten ergänzt und in einem Materialpass zusammengeführt. Er erleichtert auch die Erstellung des obligatorischen Entsorgungskonzept gemäss Schweizer Abfallverordnung (VVEA), dass die ordnungsgemässe Behandlung von Bauabfällen dokumentiert. Liegenschaftseigentümer können darüber hinaus weitere unternehmerische Entscheidungen mit Madaster treffen. Mit dem Finanzindex wird der Wert von Materialien und Produkten berechnet und ermöglicht einen langfristigen Werterhalt. Der Zirkularitätsindex (ZI), der den Grad der Zirkularität einzelner Gebäude und Gebäudeschichten für die Bau- und Nutzungsphase sowie am Ende ihrer Lebensdauer benennt, ermöglicht nachhaltigeres Bauen und Bewirtschaften von Liegenschaften.
Um Kunden in der Bau-, Wartungs- und Rückbauphase ihrer Gebäude einen noch besseren Service zu bieten, möchte man Bauherren, BIM-Experten, Architekten, Ingenieure und sonstige Berater als Servicepartner gewinnen. Dank ihrem Fachwissen erhalten die Nutzer und Besucher der Plattform umfassendes und aktuelles Basis- und Hintergrundwissen über die Kreislaufwirtschaft. Die Vorteile von Madaster kann man wie folgt zusammenfassen: Die Plattform vernetzt die Schweizer Bau- und Immobilienwirtschaft, um Knowhow im digitalen Bauen sowie Erfahrungen zu Materialwerten über den gesamten Lebenszyklus von Gebäuden auszutauschen und das Potential der Schliessung von Wertstoffkreisläufen zu heben. Auf dieser Grundlage entsteht ein gemeinsames Verständnis, wie der Standard für zirkuläres Bauen und die nachhaltige Bewirtschaftung von Immobilien in der Schweiz langfristig aussehen kann.