„studio teilchenwelle“ ist das mehrfach ausgezeichnet Planungsbüro für Lichtgestaltung,
gegründet von Stefan Lotze. Mit einem Netzwerk aus Planern, Technikern und Künstlern
realisiert er Installationen und Architektur gleichermaßen. 2024 wurde er für seine Arbeit im
Zwingerpark in Offenburg mit dem Deutschen Lichtdesignpreis ausgezeichnet.
Text: Robert Schütz. Bilder Sebastian Schels und Christoph Panzer und studio teilchenwelle.
Freiraum_Gestalten_Lichtteilchen_Porträt (Für die Ansicht des Originals, einfach auf den Link klicken)
Bereits im ersten Gespräch spürt man diesen Enthusiasmus und die Begeisterung, mit der er seine Projekte plant und umsetzt. Er ist Gründer des noch Einmannbüros studio teilchenwelle in Karlsruhe. Obwohl recht frisch am Markt, wurde das junge Planungsbüro für Lichtgestaltung bereits für einige Projekte und Installationen ausgezeichnet und für internationale Awards nominiert. Lotze, der ursprünglich Architektur studierte, fing bereits früh an, sich für das Thema Licht zu begeistern. „Schon zu
Schulzeiten begann meine Leidenschaft für Licht“, erklärt er. „Doch erst im Architekturstudium konnte ich den Bezug zum Raum sowie die theoretische und konzeptionelle Herangehensweise begreifen.“
Seine Begeisterung für das Licht ging dann immer mehr mit den Inhalten des Studiums zusammen. Schon damals entstanden viele Installationen. Schließlich fokussiert er das Studium auf
Lichtarchitektur. In Praktika sammelt er erste Berufserfahrungen und war zeitweise auch als Event- und Veranstaltungstechniker erfolgreich. Später ist er für ein Lichtplanungsbüro tätig, bevor er sich 2019 für die Selbstständigkeit entscheidet: „studioteilchenwelle“ war geboren.
“Lichtdesign muss mehr können
Lotze ist sich bewusst: „Die Lichtgestaltung im öffentlichen Raum steht heute vor völlig neuen Hearausforderungen. In den letzten Jahren kam zum Glück viel Bewegung in die Sache.“ Das Thema
Lichtverschmutzung rückt auch immer mehr in den Fokus der Gesetzgeber. Wichtig sind Umweltschutz, Ökologie, Biodiversität. Denn die Dunkelheit der Nacht bietet vor allem kleineren Tieren
Schutz im Außenraum. Daher ist es wichtig, das Ökosystem durch künstliches Licht nicht unnötig
zu stören. Es geht also nicht mehr nur um die Energieeinsparung, die, so betont Lotze, nicht nur
positiv zu bewerten sei. Seine Begründung: „Energieeffizientere LED-Lampen zum Beispiel senden kaltweißes Licht aus, das aus ökologischer Sicht als schädlicher eingestuft wird.“ Er ergänzt: „Meine
Aufgabe als Lichtdesigner ist es, für die Fragen der Gestaltung, Funktion und die Sicherheit eine
ganzheitliche Lösung zu finden. Die künstlerische Leistung darf dabei nie zu kurz kommen.“ Genau
in der Fähigkeit, alle Parameter optimal zu kombinieren, liegt die Stärke von Lotze.
Laut Lotze wird das Architekturlicht mehr als nur den funktionalen Ansprüchen gerecht. Auf die
Stärke und die Philosophie angesprochen, formuliert er: „studio teilchenwelle vereint freies künstlerisches Arbeiten und auftragsbezogenes Lichtdesign. Das gegenseitige Spiel von verschiedenen
Methoden und Sichtweisen ist für beide Arbeitsfelder eine kreative Bereicherung – darin liegt die
Stärke.“ Er selbst sieht sich als Pendler zwischen den Welten Architektur, Kunst und Technik. Wichtig ist ihm zudem der Kontext, der Bezug zur Umgebung und zum Bestand der Architektur und dem existierenden oder geplanten Freiraum. Sehr zurückhaltend geht er die Sache an. Er erklärt: „Ich schaue zunächst, was wurde von den Landschaftsplanern bereits gestaltet und was ist
geplant“, und ergänzt, „ich achte stets darauf, was noch relevant ist, außer meinem Licht.“ Diese vorsichtige und bedachte Herangehensweise ist sicher das Geheimnis seines Erfolges. Und auf Erfolge kann der Planer bereits mehrfach verweisen
Lichtdesign-Preis 2024 für Gartendenkmal
Im Juni wurde sein Planungsbüro für den Lichtdesignpreis 2024 als Gewinner in der Kategorie
Außenbeleuchtung im öffentlichen Bereich ausgezeichnet. Die Trophäe erhielt Lotze für die Lichtgestaltung im Zwingerpark in Offenburg, einer Anlage aus dem 19. Jahrhundert, die vor allem
besondere Anforderungen an den Denkmalschutz stellte. Der Grüngürtel liegt zwischen dem Mühlbach und der historischen Stadtmauer, die mit einer Höhe von bis zu 9 m das Licht und Schattenspiel besonders interessant und spannend macht. Auch hier beobachtet Lotze zunächst die Vorgaben und das Umfeld. Hierauf baut er sein Konzept auf. Der Park wurde vom Büro Helleckes Landschaftsarchitektur geplant. Ziel der umfangreichen Neugestaltung war, so heißt es in der Projektbeschreibung, eine identitätsstiftendes Aufenthaltsqualität zu schaffen. In enger Zusammenarbeit mit studio teilchenwelle sollte eine Abendstimmung entstehen, die dem Park gerecht wird. Die Anforderungen hinsichtlich der Umweltverträglichkeit, Nachhaltigkeit und dem Aspekt Sicherheit spielten dabei eine entscheidende Rolle. Die Zusammenarbeit mit dem Landschaftsplaner beschreibt Lotze als sehr konstruktiv und rücksichtsvoll: „Wir haben immer eine Lösung gefunden und zum Beispiel geplante Positionen der
Lichtquellen an bestehende Wurzeln oder Baumbestände öfter neu angepasst und die Entwürfe auch vor Ort immer wieder weiter optimiert.“Im Vorfeld wurde die Beleuchtung der Wege
und der Stadtmauer und selbst teilweise die Baumverschattungen mithilfe digitaler 3D-Technik simuliert. Dennoch ist die reale Situation im Außenraum aufgrund von Wachstum oder Jahreszeiten immer viel komplexer als im Innenraum: Digital ist nicht immer auch real, da gibt es oft Abweichungen. In zahlreichen Abendeinsätzen musste der Planer daher jeden der insgesamt 133 Strahler und
Blendtuben einzeln händisch ausrichten und anschließend die Dimmwerte der Leuchten für die zeitlich gestuften Szenen optimieren. Für sein Lichtkonzept hat Lotze zudem den Verlauf und den
Anspruch an das Licht von der eingehenden Dämmerung bis zum Sonnenaufgang exakt analysiert
Jede Zeit braucht ihr eigenes Licht
Die Dunkelheit kennt unterschiedlich Facetten. Entsprechend müssen die Intensität und die Fokussierung des Lichts im Außenraum an den entsprechenden Zeitraum und die Situationen angepasst sein. In den frühen Abendstunden wird die Anlage noch von Menschen frequentiert, die dann
neben der nötigen Sicherheit auch den optischen Anspruch schätzen. Zur Nacht hin wird nur noch der Weg mit einem minimal gedimmten Licht aus geleuchtet. Hierfür waren die Intensität und die Fokussierung der Lichtpunkte entscheidend. Für das allgemeine Licht wählte Lotze 2.200 K, für die gezielte Beleuchtung 2.700 K.
Ein prägendes Element der Parkgestaltung ist die Lindenreihe entlang des 500 m langen Hauptweges am Mühlbach. Zwischen dem Baumraster fügen sich dezent hohe Masten ein, ihre eng strahlenden Spots ergeben eine geringe Blendung. Lichtflächen auf dem Weg reihen sich mit weichem Kontrast aneinander und spiegeln so den Duktus der Baumreihe wider. Ein Spiel mit dem Schatten macht ihr Blattwerk bewusst auf dem Boden sichtbar. Der rückseitige Weg bleibt bis auf einzelne Sitznischen und Lichtakzente auf Statuen unbeleuchtet. Zusammen mit der präzisen und dezenten Aufhellung der Stadtmauer sind diese wichtig, um die Tiefe des Raumes und das Umfeld wahrzunehmen und damit das Sicherheitsempfinden zu erhöhen. Notwendig wurde der projektbegleitende Lichtplaner durch die Erneuerung des Naturschutzgesetzes § 20 Absatz 2 in Baden-Württemberg im Jahre 2020, und den damit verbundenen unterschiedlichen Anforderungen. Philip Denkinger, Abteilungsleiter für Grünflächen und Umweltschutz bei der Stadt Offenburg, lobt ausdrücklich die gute Unterstützung durch den Lichtplaner: „Stefan Lotze war mir persönlich bereits als junger Lichtplaner bekannt und wurde auch vom beauftragten Planer Helleckes Landschaftsarchitekten
empfohlen.“
Jurybegründung
Die Jury, die den Sieger für den Lichtdesign-Preis 2024 auswählte, begründete ihre Entscheidung mit den Worten: „Behutsame Beleuchtung und genau definierte Zonen bringen hier eine urbane Nutzung und Respekt vor der Natur und ihren Bedürfnissen zusammen. Über die Steuerbarkeit des Lichts und damit die detailliert geplante zeitliche Differenzierung wird die jeweilige Nutzung ermöglicht und das Gartendenkmal zum Leben erweckt.“ Doch war dieser Preis bei weitem nicht die einzige Auszeichnung. Bereits 2020 wurde Lotze für das kollektive Kunstprojekt „Breaking Ground“ für
den LIT Design Award nominiert. Die Licht- und Klanginstallation, die in kongenialer Zusammenarbeit mit dem Tonkünstler Ben Melzer, Jim Morrison und Danyel Lythgoe entstand, war Teil des Kunstfestivals „Schwein gehabt“, das auf dem ehemaligen Schlachthofgelände stattfand, einem kulturellen und kreativen Zentrum in Karlsruhe. Dabei versteht sich diese Installation als Provokation oder Aufforderung an die Eigentümer, die geteerte Brachfläche auf dem Gelände kreativer und freundlicher zu gestalten. Wenn diese abstrakte Arbeit eher den künstlerischen Part abdeckt, so zeigt sich einmal mehr die Stärke von Lotze und seinem Lichtplanungsbüro, Architektur, Kunst und Technik geschickt zu kombinieren. Der
LIT Design Award wurde ins Leben gerufen, um die Bemühungen talentierter internationaler
Lichtproduktdesigner zu würdigen. Auf der Internetseite heißt es: „Wir glauben, dass Beleuchtung
sowohl eine Kunst als auch eine Wissenschaft ist.“ Und noch eine weitere Auszeichnung konnte
Lotze für sich verbuchen, mit der Lichtinstallation „Growing Light“, die erstmals 2012 auf der Luminale in Frankfurt ausgestellt wurde: Diese Zweige aus Licht, die aus den Bäumen sprießen, thematisieren den Gedanken, dass Licht wächst, und sich fortbewegt. In der Projektbeschreibung heißt es: „Feine Lichttriebe sprießen aus der Dunkelheit der Nacht. Noch klein, kaum wahrgenommen.“ Es geht um die Bedeutung des Lichts im Alltag – und die Annahme, dass aus Sprossen Großes entstehen kann. Der Betrachter erlebt so ein neues Bewusstsein für Licht, sowie einen respektvollen Umgang mit der Nacht und der Natur. Das Kunstwerk fordert den optimalen und gezielten Einsatz von Licht. Ein Thema, das vor allem in Zeiten von Lichtverschmutzung immer mehr an Bedeutung gewinnt. „Die Zweige aus Licht lockten die Besucher schon von weitem zur Installation“, erklärt Lotze stolz. Der Clou dabei: Die Lichtinstallation wächst tatsächlich. Die feinen Fasern unterschiedlicher Länge werden separat angesteuert. Dadurch leuchten sie nacheinander auf und erwecken den Eindruck von Wachstum. Technisch umgesetzt
wird dies durch Lichtleitfasern.