ELBPHILHARMONIE HAMBURG: ZUM RAUM WIRD HIER DIE ZEIT

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ELBPHILHARMONIE HAMBURG: ZUM RAUM WIRD HIER DIE ZEIT

Was lange währt wird endlich überragend. Mit 110 m Höhe ist das neue Hamburger Wahrzeichen mit dem futuristischen Aufbau sicher ein Meilenstein in der Architektur. Wenngleich dieser Aufstieg in den Olymp kein leichter war. Dennoch hat Herzog & de Meuron hier ein weiteres Denkmal geschaffen.

(Text: Robert Schütz, bautalk.com)

Von weitem hat es den Eindruck, als wären die Architekten bei der Planung der Bewegung eines Dirigentenstocks gefolgt und hätten diesen Verlauf dann zu Papier gebracht. Wie das ständige Auf und Ab einer Partitur, erscheint hier der Verlauf der Dachkanten, die sicher eines der hervorstechendenMerkmale dieses Megabauwerkes sind. Auf der Internetseite der Schweizer Star-Architekten Jacques Herzog und Pierre de Meuron wird dieser Entwurf wie folgt kommentiert: «Dieser Raum erhebt sich vertikal fast wie ein Zelt».Die grosse Konzerthalle ist das eigentliche Herzstück dieses multifunktionalen Bauwerkes. 2100 Menschen finden hier Platz und dennoch ist keiner von ihnen mehr als 30 m vom Dirigenten entfernt. In einer Medienmitteilung der Elbphilharmonie heisst es: «Eine aussergewöhnliche Nähe zum Geschehen macht diesen neuen Klang- Raum zu einem Ort für unvergessliche musikalische Begegnungen».

Verantwortlich für diese optimale Akustik ist Yasuhis Toyota, der hier eine Wand- und Deckenstruktur mit ganz besonderer Präzision geschaffen hat. Diese oft auch als «Weisse Haut» bezeichnete Konstruktion besteht aus 10 000 individuell und millimetergenau gefrästen Gipsfaserplatten, die den Schall gezielt reflektieren. Im kleinen Saal mit 550 Plätzen, sorgt hingegen eine gefräste Holzverkleidung für den guten Klang. In dieser fast familiären Atmosphäre werden vorwiegend Kammermusikkonzerte, Gesangsabende sowie Jazzkonzerte aufgeführt.

Im grossen Konzertsaal finden 2100 Besucher Platz.
Jeder Zuhörer ist hier nur 30 m vom Dirigenten entfernt.
(Bild: Claudia Hoehne)

Der ehemalige Kaispeicher beherbergt die «Kaistudios» sowie die «Elbphilharmonie Instrumentenwelt». Neben den drei Konzertsälen sind in diesem Komplex zudem ein Hotel, 45 Wohnungen sowie die Plaza beheimatet. Von dem frei zugänglichen Platz in 37 m Höhe geniessen die Besucher einen 360 °-Panoramablick über die gesamte Stadt Hamburg. Das Büro Herzog & de Meuron erklärt hierzu: Die Elbphilharmonie ist bereits jetzt zum Wahrzeichen der Stadt Hamburg geworden und ein Leuchtturm für ganz Deutschland. Insgesamt also eine städtebaulich gelungene Komposition, diese Elbphilharmonie. Die Entstehungsgeschichte jedoch, ist nicht ganz so rühmlich. So machte diese Dauerbaustelle über 10 Jahre hinweg immer wieder negative Schlagzeilen.

Die Dramaturgie der Baugeschichte

Das Drama um die Hamburger Elbphilharmonie begann lange vor der eigentlichen Grundsteinlegung 2007. Das Bauwerk steht heute an einem historisch bedeutsamen Ort im Sandtorhafen. 1875 wurde hier das damals grösste Lagerhaus des Hamburger Hafens errichtet, der Kaiserspeicher. Von Kultur war hier früher kaum die Rede, denn bis in die 90er-Jahre hinein wurden hier Kakao, Tee und Tabak gelagert. Mit dem Anstieg des Containertransports verlor der Kaispeicher A jedoch an Bedeutung und stand schliesslich leer. Heute bildet dieses historische Backsteingebäude den Unterbau des geschwungenen Neubaus. Nach dem einstimmigen Beschluss der Bürgerschaft, konnten die Bauarbeiten nach der Grundsteinlegung am 2. April 2007 beginnen. Das Gebäude wurde zunächst komplett entkernt, nur die Backsteinfassade blieb bestehen. Um die 200 000 t der Elbphilharmonie tragen zu können, wurden zusätzlich zu den 1111 Stahlbetonpfählen, auf denen der Kaispeicher A bislang ruhte, weitere 650 Pfähle 15 m tief in den Elbschlick gerammt. Mit Erreichen des 26. und damit des letzten Geschosses im Rohbau, fand im Mai 2010 das Richtfest der Elbphilharmonie statt. Im November2011 wurde das Saaldach betoniert. Im November 2013 wurde der Rohbau fertiggestellt. Seit Dezember 2013 wird die «Weisse Haut» im Grossen Konzertsaal montiert; die Aussenfassade ist seit Januar 2014 geschlossen, seit August 2014 das Dach der Elbphilharmonie. Am 11. Januar 2017 wurde die Elbphilharmonie eröffnet. Ach, wäre es doch nur alles so reibungslos verlaufen, wie in diesen wenigen Zeilen im Telegrafenstil geschildert.

Der Bau, eine dramatische Inszenierung

Der Bau der Elbphilharmonie wurde aber immer wieder durch Auseinandersetzungen zwischen der städtischen Elbphilharmonie Bau KG und der Objektgesellschaft Adamanta begleitet, die erst im November 2008 zu einer Einigung führten. Die Kosten für die Stadt erhöhten sich auf 495 Mio. Euro (am Ende liegen die Baukosten übrigens bei rund 789 Mio.). Als neuer Fertigstellungstermin wurde danach zunächst der 30. November 2011 vereinbart. 2010 setzte die Hamburgische Bürgerschaft einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss ein, um die Ursachen für die Kostenerhöhung zu ermitteln. Dann folgte der nächste Paukenschlag: Anfang 2010 kündigte Hochtief an, seinen vertraglichen Verpflichtungen nicht nachkommen zu können und die Fertigstellung sollte auf November 2013 verlegt werden. Noch im selben Monat wurden dann die Bauarbeiten am Dach des grossen Konzertsaals eingestellt. Erst im April 2013 wurden die Bauarbeiten wieder nach einer weiterenNeuordnung fortgesetzt. Ob bei all diesen oft politisch motivierten Streitereien, das immer öfter eingesetzte digitale Planungsverfahren BIM tatsächlich geholfen hätte, um den Zeit- und Kostenplan einzuhalten, bleibt zu bezweifeln.

Zum Festakt war viel Prominenz geladen. Unter ihnen der deutsche Bundespräsident Gauck sowie die
Bundeskanzlerin Angela Merkel.
(Bild: Michael Zapf)

Der harmonische Schlussakkord
Am 11. Januar 2017 war es dann aber endlich soweit: Die Elbphilharmonie wurde eingeweiht. Die beiden festlichen Eröffnungskonzerte, die in den Händen des NDR Elbphilharmonie Orchesters lagen, mündeten in ein dreiwöchiges Festival mit einem extrem hochkarätig besetzten und dicht gepackten Programm. Während hier doch vorwiegend die anspruchsvolle Klassik von Weltrang gastierte, gab dann am Samstag, den 21. Januar 2017, im gerade mühevoll fertiggestellten Bauwerk ein eher unerwartetes Ensemble sein Debüt: die ehemalige Punkband «Einstürzende Neubauten». Der Sinn für dieses Kontrastprogramm bleibt rätselhaft.

Das Kontrastprogramm: Am 21. Januar 2017 gastierte die ehemalige Punkband «Einstürzende
Neubauten » im grossen Konzertsaal.
(Bild: Claudia Hoehne)

Text: bautalk   (Robert Schütz)
publiziert in: Schweizer Baujournal

2023-07-30T12:59:45+01:00
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